Die Schweizer Schauspielerin Marie Leuenberger ist aktuell als Anwältin des berühmt-berüchtigten Ausbrecherkönigs Walter Stürm im Film «Stürm: Bis wir tot sind oder frei» zu sehen. Wie wichtig Selbstbestimmung und Freiheit sind und dass es sich lohnt, dafür zu kämpfen, weiss Marie Leuenberger aus eigener Erfahrung.

Wir treffen Marie Leuenberger in einem genossenschaftlichen Stadtquartier am Spreeufer in Berlin. In der deutschen Hauptstadt ist es mal wieder kalt und grau wie so oft in dieser Jahreszeit. Trotzdem taucht die Schauspielerin mit dem Fahrrad auf. Im dicken Wintermantel eingehüllt offenbart sie uns, dass sie dieses Wetter eigentlich ganz gerne mag. Mit 19 Jahren ist sie von Basel nach Deutschland gezogen, heute lebt sie mit ihrer Familie in Berlin. «Hier fühle ich mich frei, Berlin ist mein Zuhause.» Dennoch ist Marie Leuenberger ihren Schweizer Wurzeln treu geblieben: Das Interview führen wir auf Schweizerdeutsch, denn wie sie uns gesteht, vermisst sie auch nach über 20 Jahren in Deutschland immer noch ihre Muttersprache.

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Der Film «Stürm: Bis wir tot sind oder frei» mit Ihnen in der Rolle der kämpferischen Anwältin Barbara Hug ist an den 57. Solothurner Filmtagen zu sehen. Was hat Sie an diesem Film fasziniert?
Das Drehbuch hat mich sehr berührt und mit voller Wucht emotional getroffen. So etwas hatte ich davor noch nie gelesen. Es geht um Freiheit, Einsamkeit und Liebe, aber auch ums Kämpfen. Es ist ein sehr politischer, philosophischer Film und es hat mich gereizt, die Rolle einer Person zu spielen, die es wirklich mal gab.

Und was war die grösste Herausforderung dabei?
Barbara Hug ist ganz anders, als ich es bin: Sie ist eine alleinstehende Frau, die raucht, trinkt und flucht. Sie definiert sich komplett über ihren Beruf als Anwältin, in welchem Sie sich tagtäglich für andere Menschen einsetzt. Ich habe grosse Bewunderung für Menschen wie sie, die mit viel Passion etwas bewegen wollen. So waren auch die Anspannung und die Unsicherheiten mit der Rolle zu Drehbeginn sehr gross. Und trotzdem war ich mir sicher, dass ich als Frau den Menschen sowie die Gefühlswelt von Barbara Hug kenne und daran anknüpfen kann. Schlussendlich hat das ja dann auch geklappt – zum Glück.

Im Film geht es unter anderem um den Kampf um Freiheit. Hatten Sie auch schon den Wunsch, auszubrechen?
Ja, definitiv. Es gab Lebenssituationen, in denen ich fremdbestimmt war und ausbrechen musste. Sei dies aus Beziehungen oder Strukturen, die mir nicht gutgetan haben.

Die Rolle der Nora aus «Die göttliche Ordnung» und jene der Barbara Hug sind zwar sehr unterschiedlich, aber beides sind Rebellinnen, die für etwas kämpfen, das ihnen wichtig ist. Was bedeutet Ihnen Rebellion?
Ich finde Rebellion ist etwas Wichtiges. Es ist ein Ausdruck von Unzufriedenheit und das muss man ernst nehmen – sowohl privat als auch in der Gesellschaft. Zu rebellieren, bedeutet für mich, selbstbestimmt zu sein und für sich selbst und andere einzustehen.

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Was bedeutet Ihnen Geld im Zusammenhang mit Selbstbestimmung?
Genügend Geld zu haben, ist beruhigend und ermöglicht es, ohne grosse Einschränkungen zu leben. Es hat folglich einen grossen Zusammenhang mit der Selbstbestimmung. Finanzielle Sicherheit gibt einem ein Stück Freiheit im Leben.

Sind Sie ein rationaler oder ein intuitiver Mensch?
Eher intuitiv. Ich habe gelernt, stets auf mein Bauchgefühl zu hören. Die Erfahrung zeigte mir, dass wenn ich mal nicht darauf gehört habe, im Nachhinein oft die erste Intuition richtig war. Ich denke, auch deswegen bin ich da, wo ich heute bin. Alles, was mich in meinem Leben weitergebracht hat, hat auf irgendeine Art mit meinem Gespür für Menschen und meiner Intuition zu tun. Das gebe ich meinen Mitmenschen daher auch immer wieder mit auf den Weg.

Wollten Sie schon immer Schauspielerin werden?
Ja, das war schon immer mein Traumberuf. Seit ich das erste Mal ein Theater besucht habe, bin ich fasziniert davon. Die Bühne, der rote Vorhang und die Zuschauer – das alles hatte für mich etwas Magisches. Und so war für mich schnell klar, als ich mit 16 Jahren dem Jugendklub des Theater Basel beigetreten bin, dass ich das später beruflich machen wollte.

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Marie Leuenberger (41) ist in Basel aufgewachsen, lebt heute in Berlin und ist eine der erfolgreichsten deutsch-schweizerischen Schauspielerinnen – unter anderem erhielt sie für ihre Leistung in den Kinofilmen «Die Standesbeamtin» (2009) und «Die göttliche Ordnung» (2017) den Schweizer Filmpreis. Aktuell ist sie mit dem Film «Stürm: Bis wir tot sind oder frei» an den 57. Solothurner Filmtagen zu sehen.

Auf welchen Entscheid in Ihrem Leben sind Sie besonders stolz?
Mutter von zwei Kindern zu werden. Ich weiss nicht, ob das wirklich eine bewusste Entscheidung war, aber es ist das grösste Geschenk. Ansonsten bin ich auch stolz darauf, dass ich in meinem Leben schwierige Entscheidungen getroffen und durchgezogen habe, durch welche ich mir ein Stück Freiheit zurückgeholt habe. Das war nicht immer einfach, aber im Nachhinein betrachtet bin ich sehr froh darüber.

Was ist Ihr grösster Wunsch im Leben?
Dass ich in diesem Beruf alt werden darf, das wäre neben der Gesundheit mein grösster Wunsch.

Haben Sie ein Vorbild?
Die Schauspielerin überlegt lange, lacht und sagt: Tina Turner! Sie ist einfach ein toller Mensch. Ihre Stimme, ihr Auftreten, ihre Geschichte und der Wille und der Mut, nach so einem harten Weg weiterzumachen und erfolgreich zu sein, beeindrucken mich.

Aufgrund der aktuellen Pandemie sind wir alle vermehrt zu Hause. Gibt es einen Film – abgesehen von «Stürm» –, den Sie uns empfehlen können?
Gerade gestern habe ich mit meinen Kindern «Kevin – Allein zu Haus» geschaut und ich muss sagen: Es ist nach wie vor ein sehr toller Film. Ich liebe aber auch «Nomadland» von Chloé Zhao oder «Elena» von Andrey Zvyagintsev. Generell gibt es so viele tolle Filme, die ich mag. Das ist es, was ich an dieser Branche auch so sehr schätze: die Vielfalt!

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Swiss Life fördert die Schweizer Filmkultur und trägt dazu bei, dass die Kulturschaffenden ihren eigenen künstlerischen Weg verfolgen können. So engagiert sich Swiss Life seit 2008 bei den Solothurner Filmtagen als Hauptsponsorin und ist Preisstifterin des beliebten Publikumspreises «PRIX DU PUBLIC».

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