Für viele Schweizer Pensionierte steht das Reisen ganz oben auf der Aktivitätenliste. Monica (68) und Kurt (68) Möri reisen seit 45 Jahren immer wieder mit ihrem VW-Bus durch die Weltgeschichte. Seit der Pensionierung haben sie mehr Zeit für ihre Leidenschaft. Ein Gespräch über Flexibilität, Finanzen und Selbstbestimmung.

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Kurt umarmt Monica seitlich mit seinem linken Arm, während sie mit einem Lachen vor ihrem moosgrünen VW-Bus in die Kamera blicken. Sie haben einen dunkelgrünen beziehungsweise einen dunkelroten Pullover an.
Kurt umarmt Monica seitlich mit seinem linken Arm, während sie mit einem Lachen vor ihrem moosgrünen VW-Bus in die Kamera blicken. Sie haben einen dunkelgrünen beziehungsweise einen dunkelroten Pullover an.

Monica und Kurt reisen seit 45 Jahren mit ihrem VW-Bus durch die Weltgeschichte.

Ihr seid seit unglaublichen 45 Jahren mit demselben VW-Bus auf Reisen. Warum? Oder anders gefragt: Was macht das Campen für euch zur besten Reiseart?

Monica: Ich habe das Gefühl, ich sei unabhängiger und flexibler. Mit dem VW-Bus kann ich sagen: Ich fahre weiter, wenn es mir irgendwo nicht passt. In einer Wohnung oder im Hotel kann ich das nicht. Mittlerweile ist es ein wenig komplizierter und man muss Campingplätze reservieren – das war früher nicht nötig. Aber auch hier: Entweder hat es Platz für uns oder halt nicht.

Kurt: Als wir den VW-Bus vor 45 Jahren gekauft haben, haben wir schnell realisiert, dass man beim Camping nicht mehr braucht, als man dabeihat. Das bedeutet für mich Glück. Unser VW-Bus hat nur wenige Quadratmeter Wohnfläche, und das ging sogar mit zwei Kindern.

Monica: Mit dem VW-Bus ist man langsam unterwegs. Wir fahren gerne neben den Autobahnen durch die Landschaften und Dörfer. In Frankreich zum Beispiel kommt man dann an all den tollen Märkten vorbei, das ist einfach schön.

Kurt und Monica sitzen auf dem Sofa im hinteren Teil des VW-Busses. Man sieht sie vom Kofferraum aus. Monica lächelt in die Kamera, während Kurt sie ansieht und ein Reisebuch über England in der Hand hält.

«Wir haben schnell realisiert, dass man beim Camping nicht mehr braucht, als man dabeihat. Das bedeutet für mich Glück.» (Kurt Möri)

Nun habt ihr das Pensionsalter erreicht und könntet theoretisch pausenlos unterwegs sein. Warum treffen wir euch jetzt gerade in der Schweiz an?

Monica: Ich brauche dazwischen immer mal wieder Pausen, um zu verarbeiten, was wir erlebt und gesehen haben. Letztes Jahr waren wir im Balkan unterwegs. Als Nächstes geht’s für etwa zwei Monate nach Frankreich, in die Bretagne und die Loire.

Wie steht es mit längeren Reisen: Ist da etwas geplant?

Kurt: Wäre Corona nicht gewesen, wären wir für drei oder vier Monate nach Afrika gereist. Da hätten wir aber vor Ort einen 4×4-Camper gemietet. Das wollen wir bestenfalls noch nachholen.

Monica: Vor sechs Jahren reisten wir mit unserem VW-Bus durch Südamerika und waren dort ein knappes Jahr unterwegs. Damals habe ich gehadert, weil gerade unser jüngstes Grosskind auf die Welt kam. Ich dachte: Das verpasse ich jetzt, das jüngste Knöpfli. Da wusste ich: Wir hatten ein paar grosse Reisen über Halbjahre und auch ganze Jahre – aber nach der Südamerikareise möchte ich nicht mehr so lange weg sein. Wegen der Grosskinder. Drei oder vier Monate am Stück kann ich mir noch vorstellen, aber länger nicht.

Kurt: Die geben uns so viel. Das ist einfach etwas Cooles.

Monica: Ein Enkel sagte uns dann auch über Facetime: «Zurück kommt ihr aber nicht mit dem Schiff, sondern mit dem Flieger, dann seid ihr schneller wieder da!»

Ihr seid mit dem Schiff nach Südamerika gereist?

Kurt: Wir verbrachten fünf Wochen auf dem gleichen Frachtschiff, mit dem unser Bus von Hamburg nach Montevideo transportiert wurde. Das war extrem eindrücklich, in allen Facetten. Die Reise so zu starten, das war die beste Entscheidung: Entschleunigung pur.

Monica: Also so was ist keine Kreuzfahrt. Ein Frachtschiff ist Dreck pur. Schlarpen helfen. Und wenn man flexibel ist mit dem Essen, dann geht das schon.

Flexibilität ist ein gutes Stichwort. Ihr kommt mir sehr flexibel vor. Wie erhaltet ihr euch das?

Kurt: Wenn man schon so viel gereist ist, dann gibt das eine Art Urvertrauen, das hilft natürlich.

Monica: Klar, manchmal habe ich auch gerne Sicherheiten. Ich mag es, wenn man nicht jeden Tag weiterreist. Wenn man sich in einem Ort oder Dörfchen einquartiert, dann kann man sich etwas entspannen. So wie Kurt fährt, das braucht extrem Adrenalin, da braucht man auch Entspannung dazwischen. (Alle lachen)

Viele fragen sich jetzt bestimmt: Wie können die Möris sich all diese Reisen leisten?

Monica: Früher haben wir ganz einfach gespart. Als wir vor 45 Jahren den VW-Bus gekauft haben, habe ich gearbeitet und Kurt studiert.

Kurt: Wir haben wirklich von null angefangen. Ich bin noch Taxi gefahren. Der Bus kostete 17 000 Franken und danach war unser Konto leer. Dann haben wir mehr als zwei Jahre gespart für unsere einjährige Reise durch die USA – von Alaska nach Mexiko. Ich konnte damals unbezahlten Urlaub nehmen. Das war für diese Zeit sehr ungewöhnlich.

Monica: Ich musste meinen Job auf dem Strassenverkehrsamt kündigen. Als gelernte Hochbauzeichnerin war es damals schwierig, einen Job zu finden. Nach der Reise kamen die Kinder und ich blieb zu Hause, das war damals normal. Übrigens: Die Reise nach Südamerika hat uns nicht mehr gekostet als unser Leben zu Hause gekostet hätte, inklusive Containerverschiffung, Reise und Flug. Wir konnten sehr günstig leben dort.

Das Thema Geld ist ja auch im Hinblick auf die Pension wichtig. Wie seid ihr da vorgegangen?

Kurt: Wir haben uns früh mit dem Thema befasst, Verschiedenes durchgerechnet. Da muss man eben rechnen können. Vor etwa 20 Jahren haben wir begonnen zu überlegen: Was wollen wir, was können und wollen wir uns leisten?

Trotz all der Planung: Du hast mit 58 Jahren die sichere Stelle bei einem grossen Unternehmen gekündigt. Warum?

Kurt: Ich war im Senior Management bei Swisscom. Das Umfeld im Management war fordernd und ich hatte schon länger das Bedürfnis, nochmal etwas anderes zu machen. Und dann ergab es sich, mit einem Kollegen gemeinsam eine Firma aufzubauen. Ich bin also nicht der typische Pensionär, der von gestern auf heute aufgehört hat zu arbeiten. Es ging fliessend. Die Firma existiert heute nicht mehr und die letzten Projekte habe ich noch mit 64 Jahren gemacht.

Dieses typische Aufeinanderprallen, wenn einer von beiden viele Jahre zu Hause tätig war und der andere dann plötzlich durch die Pension auch den ganzen Tag da ist, das hattet ihr also nicht?

Monica: Durch die Reisen kannten wir das, über Monate 24 Stunden zusammen zu sein. Als Kurt sich selbstständig machte, war er auf einmal viel zu Hause. Aber das habe ich geschätzt. Für uns war der Übergang nicht so streng.

Was glaubt ihr: Warum gibt es Menschen, die sich schwertun mit der Pensionierung?

Kurt: Ich denke, viele Leute verpassen, nach der Pension nochmals etwas anderes zu machen. Aber das ist altersunabhängig. Das kann man immer machen. Viele Leute sind vielleicht überfordert, dann können sie sich nicht entscheiden und dann passiert auch nichts.
 

Gibt es etwas, das ihr in Retrospektive anders machen würdet?

Kurt: Genug reisen, das kann man natürlich nie, das ist schon klar.

Monica: Mich wurmt nichts. Es ging alles auf. Wir haben eine coole Familie, Grosskinder, das fägt.

Das klingt alles so idyllisch. Gab es denn auf Reisen nicht auch mal unschöne Situationen?

Monica: Es ist natürlich nicht immer nur super. Es gab Orte, da ging ich mit dem Beil auf die Toilette. Wegen der Bären. Klar, ich hätte keine Chance gehabt, aber mit dem Beil hatte ich wenigstens das Gefühl, mich wehren zu können.

Kurt: Wenn es Probleme gab, dann immer nur mit der Polizei, dem Militär oder beim Zoll, aber nie mit der einheimischen Bevölkerung.

Habt ihr zum Schluss noch Tipps für Pensionierte, die ihre Zeit gerne fürs Reisen nutzen wollen?

Kurt: Ausprobieren. Machen. Aber vor allem überlegen: Was sind meine Bedürfnisse, was möchte ich eigentlich?

Monica: Es gibt natürlich viele Leute, die vielleicht ängstlich sind, die wollen eher in der Gruppe sein, sonst fühlen sie sich nicht wohl. Das ist ja auch völlig okay, da gibt es auch viele Angebote. Aber mein wichtigster Tipp wäre: Warte nicht, bis du pensioniert bist.

Kurt: Ich bin Fan von Zitaten. Das hier von Albert Einstein passt gut: «Geniesse deine Zeit, denn du lebst nur jetzt und heute, morgen kannst du gestern nicht nachholen und später kommt früher, als du denkst.»
 

Monica sitzt auf dem Beifahrersitz und lächelt über ihre Schulter in die Kamera, während ihre Hand auf dem Türgriff der offenen Autotür liegt. Es scheint, als würde sie jeden Moment auf ihre nächste Reise aufbrechen. Sie hat einen weinroten Pullover an und im Hintergrund sind ein Feld und ein Wald zu sehen.

«Mein wichtigster Tipp ist: Warte nicht mit dem Reisen, bis du pensioniert bist.» (Monica Möri)

Kurt blickt lachend aus der offenen Seitentür seines moosgrünen VW-Busses raus, sein Arm abgestützt auf einem Holzgestell. Das Dach des VW-Busses ist diagonal erhoben.

Der VW-Bus

Der VW-Bus ist Kult. Kurt und Monica Möri reisen seit 45 Jahren in ihrem VW T2 durch die Weltgeschichte. Ein Verkauf kam für das Paar nie infrage. Im Gegenteil: Weil beide Töchter ein Auge auf den Bus geworfen haben, haben die Möris nun sogar ein zweites Modell in der Garage stehen. Einen klassischen VW T1. Der VW-Bus war es auch, der dieses Interview möglich gemacht hat: Autorin Gabriella Alvarez-Hummel war zeitgleich wie die Möris in Südamerika unterwegs und der grüne VW-Bus mit Schweizer Kennzeichen stach ihr in den Bergen Ecuadors sofort ins Auge. Die Reisenden verbrachten einige gemeinsame Tage auf dem Campingplatz und blieben seither sporadisch in Kontakt.

Bilder: Philip Brand, Video: Roland Kessler

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